Manchmal, vielleicht sogar oft, muss es scheinbar schlimmer werden, bevor es besser werden kann. Gerade dann, wenn wir auf dem Weg der Besserung sind, geben wir darum vielleicht auf, weil es so aussieht, als würde alles nur noch schlimmer. Dabei ist genau das die Besserung. Es ist der Beweis, dass sich etwas verändert; dass sich etwas wehrt. Es ist das Wunder, um das wir gebeten haben.

Weil es nicht in der Form kommt, die wir uns (mit dem Verstand) vorgestellt haben, sehen wir es nicht. Wollen wir es nicht sehen. Wir wenden uns ab und gehen dorthin zurück, wo wir gestartet sind. Weil dort ist es uns vertraut, scheinbar weniger schlimm. Und so drehen wir um, vielleicht ganz kurz vor dem Ziel, vielleicht ganz kurz vor der Heilung. Die Nacht ist am dunkelsten vor der Dämmerung. Und es braucht Kraft, Mut und Vertrauen, diese Dunkelheit auszuhalten.

In der Dunkelheit werden wir gezwungen, die Angst anzunehmen und ins Vertrauen zu investieren. Der Verstand kann uns nicht mehr helfen. Wir werden ermutigt, unsere alten Überzeugungen und Muster loszulassen, um zu erkennen, dass sie nicht wahr sind.

Die Dunkelheit konfrontiert uns mit Gefühlen und Emotionen, die wir vor uns selbst versteckt haben, die aber gefühlt und auf diese Weise aufgelöst werden wollen. Wenn wir die Dunkelheit aushalten, das Schwierige zulassen, wertfrei werden, dann entsteht in der Dunkelheit ein neues Licht. Es ist das Wunder, das alles umfasst: Die Dunkelheit und das Licht – ohne Dunkelheit kein Licht. Es ist es wert, den Weg zu gehen.

Wir werden diesen Weg nicht nur einmal gehen, sondern immer wieder. Und wir werden dabei auf immer tiefere, vielleicht herausforderndere Ebenen stossen. Aber unser Vertrauen wächst, mit jedem Mal. Mit dem Vertrauen wächst das tiefe Wissen, dass wir scheitern dürfen. Dass es gar kein Scheitern gibt.

Wir warten darauf, endlich am Ziel anzukommen. Endlich fertig zu sein. Irgendwann in der Zukunft soll alles so werden, wie wir es uns wünschen. Doch genau das ist der Fehler, der Trick des Ego. Wir werden nie fertig sein. Wir werden nie ankommen.

Weil wir sind schon hier.

Tagebuch-Text vom April 2019